Die Sammlung Bührle
Eine der grossen Sammlungen der Moderne • 1936-1959

1936-1950: Die Anfänge

Im November 1936 begann Emil Bührle mit ersten Bilderkäufen für das grosse Haus, das er im folgenden Jahr mit seiner Familie in Zürich bezog. Schon die ersten Käufe richteten sich stark auf den französischen Impressionismus und Nachimpressionismus, doch sah sich Emil Bührle lange Zeit auf den Schweizer Kunstmarkt beschränkt. In Zürich kaufte er häufig bei der Galerie von Toni Aktuaryus, kostspieligere Werke erwarb er bei Siegfried Rosengart in Luzern, der die dortige Filiale der Galerie Thannhauser übernahm.

Das von Emil Bührle 1937 bezogene Haus an der Zollikerstrasse in Zürich

1939 nahm Emil Bührle an der Auktion bei der Galerie Fischer teil, an der als «entartet» beschlagnahmte Bilder aus deutschen Museen angeboten wurden, und bot – erfolglos – auf ein Selbstbildnis van Goghs. 1942 trat Bührle auf ein Gegengeschäft mit Theodor Fischer ein. Fischer verkaufte Bilder französischer Impressionisten an Bührle und beteiligte sich als Gegenleistung an der Altmeister-Sammlung Coray, in die Bührle investiert hatte. In den Kriegsjahren wurde der in St. Gallen ansässige Kunsthändler Fritz Nathan zu Bührles engstem Berater. In der Zeit gelangten rund 100 Kunstwerke in Bührles Besitz.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in der Schweiz 77 Kunstwerke identifiziert, die von deutschen Stellen im besetzten Frankreich gestohlen worden waren. 13 davon besass Emil Bührle, die meisten davon waren bei der Galerie Fischer gekauft. Es kam zu vielbeachteten Prozessen vor der Raubgutkammer des Schweizerischen Bundesgerichts in Lausanne, die 1948 mit der Restitution der Bilder an die rechtmässigen Besitzer endeten. Emil Bührle kaufte in der Folge 9 der restituierten Bilder zurück, davon 4 von dem französischen Händler Paul Rosenberg, der seine Galerie im Krieg von Paris nach New York verlegt hatte.

Die Rechnung für Bührles ersten Bilderkauf im November 1936
Vertrag über den Rückkauf von Corots Liseuse von Paul Rosenberg, 30. Juni 1948

Gleich nach Kriegsende ging die Zahl der erworbenen Bilder vorübergehend zurück, doch befanden sich unter den Käufen Bilder, die zeigten, dass Emil Bührle mit wachsendem Ehrgeiz sammelte. 1948 kaufte er den Knaben mit der roten Weste von Paul Cézanne, eines der bekanntesten Bilder der Sammlung, 1949 erwarb er La petite Irène von Auguste Renoir. Weniger glücklich war der Kauf einer angeblichen zweiten Fassung des Selbstbildnisses für Gauguin von van Gogh, das Bührle 1939 in Luzern entgangen war. Das Bild stellt sich bald als Kopie heraus, die in betrügerischer Absicht überarbeitet worden war.

Ab Anfang 1948 beschäftigte Bührle Walter Drack als Privatsekretär und Konservator für die Sammlung. Dracks Aufgabe war es, systematisch Provenienzangaben zu den gekauften Werken zusammenzustellen. Seine Arbeit wurde dadurch erschwert, dass die Verkäufer oft zögerten, ihre Quellen offenzulegen. In den gleichen Jahren nahm Bührle eine intensive Geschäftsbeziehung zu Paul Rosenberg auf, der in ihm einen potenziellen Kunden erkannte.

Katalog Van Gogh echt falsch, Ausstellung in der Sammlung Bührle 2006
Notiz zu den 10 Preisen von Bührles Kauf bei Paul Rosenberg 1952

1951-1956: Der Höhepunkt

Mit dem Jahr 1951 stieg die Zahl der erworbenen Werke sprunghaft an und umfasste jetzt regelmässig gegen 100 Bilder und Skulpturen pro Jahr. Viele Kaufentscheide traf Emil Bührle auf Auslandreisen, bei denen er am Rande geschäftlicher Verpflichtungen Galerien besuchte. Neben Paul Rosenberg gehörten zum engeren Kreis führender Händler, bei denen Bührle einkaufte: Germain Seligmann in New York, Georges Wildenstein in New York und Paris, Frank K. Lloyd von Marlborough Fine Art in London, Max Kaganovitch in Paris sowie Walter Feilchenfeldt und Fritz Nathan in Zürich. Ein besonderes Vertrauensverhältnis verband Bührle mit Arthur Kauffmann, dem er im Ersten Weltkrieg begegnet war und der inzwischen in London lebte.

Galerie Wildenstein, New York: Dossier für die Deux amies von Toulouse-Lautrec, 1954

Im Juni 1954 hielt Emil Bührle an der Universität Zürich einen Dia-Vortrag: Vom Werden meiner Sammlung. Darin schilderte er die eigene historische Stellung innerhalb der Rezeption des französischen Impressionismus und erläuterte die kunsthistorischen Prinzipien, die ihn bei der Auswahl der älteren Kunst leiteten. Der Text ist die einzige überlieferte Äusserung Bührles zu seiner Sammlung und verrät ein präzises Bewusstsein für die angestrebten Ziele. Zu dem Zeitpunkt fotografierte der amerikanische Foto-Journalist Dmitri Kessel Emil Bührle inmitten seiner Bilder für einen Artikel im Magazin «Life», der allerdings nie erschien.

Dmitri Kessel, Emil Bührle in seiner Sammlung, Juni 1954

1957-1959: Erste Ausstellungen

Bei seinem Tod 1956 hinterliess Emil Bührle keinerlei Anweisungen, was mit den Werken seiner Sammlung geschehen sollte. Im Juni 1958 wurde der von Bührle dem Kunsthaus Zürich gestiftete Ausstellungssaal damit eingeweiht, dass ein Grossteil der Sammlung dort gezeigt wurde. Der Ausstellungskatalog enthielt 321 Nummern und erschien mit Provenienz- und Literaturangaben, die aussergewöhnlich vollständig waren. Die Sammlung umfasste zu dem Zeitpunkt noch immer 563 der 598 Werke, die Emil Bührle bei seinem Tod hinterlassen hatte. Von den insgesamt 633 Werken, die Bührle erwarb, wurden 35 zu Lebzeiten des Sammlers durch Tausch, Restitution, Verkauf, Rückgabe oder als Geschenk abgegeben, weitere 35 wurden zwischen 1957 und 1959 veräussert. Kleinere, aber ebenfalls sehr repräsentative Werkgruppen wurden im Anschluss an die Zürcher Ausstellung 1958 und 1959 im Haus der Kunst in München und im Schloss Charlottenburg in Berlin gezeigt.